Der ehemalige Nordenhamer Paul Goslawski forscht jetzt am Teilchenbeschleuniger BESSY –
Sternfreunde in Berlin
Von Henning Bielefeld
Nordenham – Als Gymnasiast hat Paul Goslawski seinen Vater Ernst oft zu Vorträgen der Vereinigung der Nordenhamer Sternfreunde begleitet. Jetzt waren die Nordenhamer Sternfreunde bei Paul Goslawski zu Gast – im Teilchenbeschleuniger BESSY II in Berlin-Adlershof. Dort ist der promovierte Physiker seit zehn Jahren beschäftigt – als einer der leitenden Beschleuniger-Physiker.
BESSY ist die eingängige Abkürzung der Berliner Speicherring-Gesellschaft für Synchrotonstrahlung, und die beeindruckende Anlage war jetzt ein Ziel der viertägigen Fahrt der Sternfreunde in die Hauptstadt. Fast 50 Astronomie-Interessierte nahmen teil.
Synchrotonstrahlung ist brillantes Röntgenlicht und dient zur Ermittlung der Strukturen von Materialien. Anders als bei anderen Teilchenbeschleunigern – etwa CERN in der Schweiz – geht es also nicht darum, Elektronen und Protonen in noch kleinere Teilchen zu spalten, sondern sie genauestes zu untersuchen.
So hat die Anlage schon Solarzellen, Katalysatoren für grünen Wasserstoff, Batterien und Quantenmaterialien durchleuchtet, aber auch archäologische Funde. Prominentes Beispiel: BESSY II ermittelte die exakte Zusammensetzung der 3600 Jahre alten bronzezeitlichen Himmelsscheibe von Nebra in Sachsen-Anhalt – sie ist die älteste bisher bekannte konkrete Darstellung des Himmels -, ohne ein einziges Milligramm Metall abkratzen zu müssen. Die übrigen Verbindungen der Anlage zur Astronomie sind überschaubar – was die Faszination der Sternfreunde für Dr. Paul Goslawski und seinen Arbeitgeber aber nicht im Geringsten minderte.
Besonders interessant erscheint die Forschung an Solarzellen, die eine künftige Mondstation mit Strom versorgen sollen. Werden fertige Solarzellen auf den Trabanten geschossen, wird`s nämlich richtig teuer – ein Kilogramm Gepäck zum Mond kostet 1 Million Euro. Deshalb hat die Berliner Anlage dunklen Mondstaub analysiert. Ergebnis: Wird das dort reichlich vorhandene Material in Solarpaneelen verbaut, schirmt sie es deutlich besser vor der harten Strahlung auf dem Mond als irdisches Glas. Statt Silizium würde eine Kalzium-Titanoxid-Verbindung das Sonnenlicht sammeln. Die Ausbeute wäre deutlich höher und 99 Prozent der Transportkosten würden gespart.

Paul Goslawski arbeitet als Physiker beim Teilchenbeschleuniger Bessy in Berlin-Adlershof. Eine für Außenstehende verwirrende Vielfalt von Kabeln kennzeichnet die Anlage, die derzeit im Sommer-Shutdown ist, was den Besuch der Sternfreunde überhaupt erst möglich machte. Foto: Bielefeld
Paul Goslawski wurde 1984 in der damaligen Volksrepublik Polen geboren und kam nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft noch vor der Einschulung mit seiner Familie nach Nordenham. Sein Vater Ernst Goslawski war jahrzehntelang bei Felten & Guilleaume und dem Nachfolgebetrieb ATB am Helgoländer Damm beschäftigt, seine Mutter Grażyna arbeitet in der CVJM-Wäscherei. Beide Eltern nahmen an der Sternfreunde-Fahrt teil.
2003 legte Paul Goslawski am Gymnasium Nordenham das Abitur ab und studierte anschließend Physik in Münster. Dabei konzentrierte er sich auf Kern- und Teilchenphysik. Als er am ehemaligen Kernforschungszentrum Jülich an einem kleinen Teilchenbeschleuniger mitarbeiten durfte, hatte er seine Bestimmung gefunden. Weil sich seine Frau Julia, die ebenfalls aus Nordenham stammt, in Richtung Berlin orientierte, bewarb er sich bei BESSY.
BESSY gehört – wie auch das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven oder das Forschungszentrum Jülich – zur Forschungsorganisation Helmholtz-Gemeinschaft, die sich auf anwendungsorientierte Grundlagenforschung mit Großgeräten konzentriert. In Bremerhaven ist das Forschungsschiff Polarstern das Großgerät, in Berlin ist es der 240 Meter lange Teilchenbeschleuniger, in dem Elektronen bis auf annähernd Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Ein Elektron legt die Strecke in weniger als einer Millionstel Sekunde zurück. Dafür werden starke Magnete eingesetzt.
Das BESSY-Röntgenlicht strahlt 100 Millionen Mal heller als die Sonne – wenn auch nur auf der Fläche eines Haares. „Der Mensch baut besser als die Natur, unsere Anlage leuchtet heller als die Sonne“, fasste Paul Goslawski durchaus ernsthaft zusammen.
Den Wissenschaftler, der seine Arbeit ebenso verständlich wie unterhaltsam erklären kann, fasziniert aber nicht nur die reine Technik am BESSY, sondern auch der vielfältige Austausch mit Kollegen. Unter den rund 1400 Mitarbeitern sind etwa 700 Wissenschaftler, dazu kommen in jedem Jahr weitere 2700 Gastforscher aus bis zu 60 Ländern – die eine interessanter als der andere. Die Anlage erlaubt 20 Versuche zur gleichen Zeit. Wissenschaftliche Institute bekommen die Strahlzeit kostenlos, gewinnorientierte Unternehmen müssen dafür bezahlen – meistens einen dreistelligen Betrag pro Stunde.
Paul Goslawski fühlt sich an seiner Arbeitsstelle angekommen – und um die Zukunft ist ihm auch nicht bange, denn die Technik entwickelt sich immer weiter. Inzwischen gibt es im schwedischen Lund eine Anlage, die 1000-mal mehr Licht erzeugen kann als BESSY. Deshalb wird in Berlin jetzt schon an BESSY III gearbeitet, das ebenfalls 1000-mal mehr Licht erzeugen kann als die jetzige Anlage. 2035 soll dort das erste Licht aufleuchten. Federführend an der Entwicklung beteiligt: der ehemalige Nordenhamer Dr. Paul Goslawski.